Wie bereits die Tage davor, werden wir vom Regen geweckt. Heute ist es ein sanftes prasseln. – Da für den gesamten Tag keine Besserung angesagt ist, beschließen wir es den Zugvögeln gleich zu tun und weiter zu ziehen. – So nehmen wir Abschied von San Vicente de la Barquera. Jedoch nicht ohne noch einmal anzuhalten. Der Ort belohnt uns zum Abschied mit einem wunderbaren Blick auf das Castillo del Rey.  Die dahinter liegende Altstadt mit der romanischen Iglesia ist von hier leider nicht mehr zu sehen.

Weiter geht es parallel zur Küste, wobei die Straße durch hügeliges, später sogar bergiges Gelände verläuft. Bereits nach wenigen Kilometern lassen wir Kantabrien hinter uns. Wir überqueren in Unquera den Río Deva, und sind somit in Asturien angekommen.

Im weiteren Verlauf der Straße  kommen uns immer wieder vereinzelte Wanderer ins Blickfeld. Mit Wanderstöcken und bunten Regenponchos bewaffnet, wandern sie die Straße entlang.  – Wir befinden uns auf einem Jakobsweg. Der Camino del Norte, auch Küstenweg genannt, wirkt in diesem Teil trübsinnig wie das Wetter. Statt dem Meer, folgt er einfach der Straße. Die Wanderer wirken ebenfalls trübsinnig. Oberstes Ziel, scheint nicht überfahren oder nassgespritzt zu werden. – Was bewegt Menschen im 21. Jahrhundert, diesen alten Pilgerweg zu wandern? Ich wüsste gern, was in dem ein oder anderen Wanderer vor sich geht. Sie alle scheinen auf der Suche. Ist es ebenfalls die Suche nach dem Glück? – Werden hier Schicksalsschläge verarbeitet? – Wir wissen es nicht, vielleicht ist es aber auch einfach das nächste Level. – Wir wünschen den Wandern einfach das Finden, sich Selbst, das Glück, die Vergebung… – Was es auch sei. 

Wir bekommen Hunger. Deshalb biegen wir bei Buelna auf eine kleine Seitenstraße und versuchen uns in Richtung Meer durchzuschlagen. Unser erster Versuch landet in einem kleinen Dorf und auf einem Feldweg am Friedhof ist Sackgasse. Langsam werden wir in Thema, Bulli wenden auf engstem Raum, zu Spezialisten. – Also weiter. Unseren nächsten Versuch starten wir in der Nähe von Vidiago. Das Sträßchen ist ein wenig breiter und scheint in Richtung eines Campingplatzes zu führen. – Doch mit dem, was wir an einer kleinen Bucht vorfinden, haben wir nicht gerechnet. Am Fuße einer kleinen, steinigen Bucht steht nichts, außer einer Rezeption. Neben dieser schlängelt sich ein steiler Weg, die Klippe hinauf. Prompt beschließen wir den Platz “La Paz” zu erkunden. Der Weg ist so steil, dass auf der regennassen Fahrbahn die Reifen durchzudrehen drohen. Hier möchte ich keinen großen Camper rauf fahren. Der Platz hat angeblich über 400 Stellplätze. Also nicht gerade das, was wir mögen. Doch diese verstreuen sich auf einem großen, in einzelnen Terrassen angelegten Gelände so, dass jeder sein eigenes Domizil errichten kann. Das Besondere daran ist, dass jeder Platz einen ebenso grandiosen Ausblick zu haben scheint. – Wir sind begeistert und dies obwohl es prasselnd regnet und die Bucht grau in grau scheint. Letztendlich fällt uns doch noch ein Platz in’s Auge, der besonders ist. Dieser wird schon durch ein einzelnes Zelt belegt und hängt einem Adlerhorst gleich über dem Sandstrand. Wäre es nicht so früh am Tag, wären wir geblieben. So fahren wir wieder runter zur Bucht, parken Hector am Strand und frühstücken erst einmal gemütlich. Apropos Frühstück. – In den letzten Tagen hat sich mehr und mehr eingeschliffen, dass wir Morgens nur einen Kaffee trinken, dann um die Mittagszeit frühstücken und erst gegen Abend wieder essen. Zwar kein Heilfasten, doch fast schon Intervall-Fasten, oder? Wir finden, das passt zum Jakobsweg. – Als wir uns wieder auf den Weg machen, sehen wir schon wieder die nächsten Pilger. Diese haben noch über 400 Kilometer bis nach Santiago de Compostela zu laufen. Doch all diejenigen die in der Bretagne, an der Abbaye Maritime de Beauport, dem angeblichen Kilometer 0. gestartet sind, haben bereits 1.200 Kilometer hinter sich gelassen. Da ist der Rest fast schon ein Katzensprung. – Im ersten Moment sind wir froh, mit Hector zu reisen. Doch dann erinnern wir uns an den Geruch des frischen, mit Tau belegten Gras, welches zum Fuße der Wegemarkierung wuchs und dazwischen wilde Minze. Nicht nur lecker, sondern wunderbar duftend. Diese Eindrücke gewinnt man nur, wenn man inne hält oder pilgert. Vielleicht waren die Pilger gar nicht so trübsinnig, vielleicht nur in sich gekehrt, die Landschaft genießend. – Wir wissen es nicht, so geht jeder seines Weges. OK, wir fahren.

 

Die Landschaft wird immer bergiger und ähnelt ein wenig der Schweiz. Doch hier ist das Meer immer zum Greifen nah. – Wir kommen unserem Tagesziel Oviedo immer näher. Vor Ort angekommen parken wir am Jardines del Campillín und laufen von hier, ein wenig durch die Altstadt. Nicht nur die Kathedrale und die alten romanischen Kirchen, sind beeindruckend. Nicht ohne Grund zählt die Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Nachdem wir ein wenig geschlendert sind, halten wir an der Kathedrale von Oviedo, auch als Kathedralbasilika San Salvador bekannt, am Plaza Alfonso II el Casto. – Zu Zeiten des Königs Alfons II, der Keusche, begann hier der Jakobsweg, daher auch der Spruch: “Der, der nach Santiago geht und nicht nach Salvador, besucht den Diener und nicht den Herren” 

Kein Wunder, dass auch heute noch viele Pilger diesen Ort besuchen. – Früher dachte ich immer, alle Wege führen nach Rom, heute scheinen sie nach Compostela zu führen. – Die Kathedrale von Oviedo ist entgegen der Öffnungszeiten verschlossen. Doch diesen Ort von Außen zu besichtigen, wäre allein schon der Grund für einen Besuch der Stadt. – Auch der angrenzende Garten der Könige, bleibt uns verschlossen. Wir müssen wiederkommen, irgendwann. – 

Wir machen uns auf zu unserem nächsten Stop, der Santa María del Naranco, drei Kilometer nordwestlich von Oviedo und am Fuße des Monte Naranco gelegen.

Ursprünglich, Mitte des 9. Jahrhunderts, als Belvedere einer Palastanlage gebaut wurde es erst später als Kirche genutzt. – Kirche hin oder her, der Ort ist einfach schön. Torgit versucht sich deshalb auch als Buddha. Sicherlich wäre auch dies ein Ort gewesen, um den Sonnenuntergang zu genießen. Doch wir wollen wieder zurück zum Meer und beschließen Richtung Carreño zu fahren.

Man mag sich fragen, warum wir so wenig frei stehen, bzw. wild campen. Dies wäre um diese Jahreszeit sicher ein einfaches. Doch Morgens und Abends ist es noch, bzw. schon ziemlich kühl. Da ist es schön, zumindest eine warme, leider nie heiße Dusche zu haben. – Wir finden einen schönen Platz “Camping Perlora”, mit Blick aufs Meer. Dort lernen wir Alexandra und David kennen. – Diese sind mit ihrem selbst ausgebauten Opel Vivaro Camper unterwegs. Alexandra ist schon ein wenig rum gekommen und hat u.a. eine zeitlang im Kölner Agnesviertel gewohnt. Ein bißchen Köln ist halt überall. David ist ein sympathischer Urbayer. – Am späten Abend philosophieren wir zuerst ein wenig über Camping und dann übers Glück. Obwohl beide einen sehr zufriedenen Eindruck machen, braucht es ein wenig, um zu definieren, was ihr Glück ausmacht. – Stellen wir uns alle die Fragen “Was macht mich glücklich?” zu selten? 

 Doch eine Erkenntnis bleibt doch noch hängen, nicht neu, doch immer wieder bestätigend. – Weniger ist mehr. 

 Erkenntnis des Tages: Essen und aufs Meer schauen ist einfach mehr, als nur Essen oder aufs Meer schauen.

 

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