Als Platz für die Nacht haben wir uns einen Wanderweg erkoren, welcher von einem geschotterten Platz, direkt in Richtung See abbiegt. Dieser ist links und rechts in hohes Gestrüpp und Bäume eingefasst. So bekommen wir den entsprechenden Windschutz für die Nacht. Doch wir stehen auch buchstäblich im Weg. Deshalb wird der morgendliche Kaffee vor Sonnenaufgang getrunken. Ich mache schnell noch ein paar Drohnenaufnahmen, denn am See ist ein Spa mit Wigwams. – Vielleicht entdecke ich ja irgendwo Winnetou.
Damit wir niemanden behindern, machen wir uns zügig auf den Weg. – Wir wollen weiter in einen Nationalpark, den Parque Natural de Los Alcornocales und danach hoch, zu einem der weißen Dörfer – Alcalá de los Gazules.
Ab und an gehen links und rechts kleine Straßen ab. Doch diese sind immer durch Gatter geschützt. Hier herrschen die Rinderzüchter. Auch der Weg, den ich mir vorab über google angesehen habe, ist so versperrt. Doch wir finden eine Alternative.
Die alte Straße ohne Bezeichnung verläuft einigermaßen parallel zurAutobahn A-381. Doch sie folgt in geschwungenen Linien dem Verlauf des Berges. Schnell ist klar, diese Route wird kaum noch genutzt. Die Straße ist teilweise nicht nur zugewachsen, es gibt etliche Risse und Höhenversprünge. Links und rechts wirkt der Mischwald wie verwunschen. Teilweise gibt es noch Leitplanken aus Holz. Außer uns scheint niemand diese Straße noch zu nutzen.
Kenn ihr das Gefühl, man steht mitten in der Pampas und plötzlich muss man austreten? – Ich hoffe nicht. Doch genau so eine Situation hatte ich dort. – Da bot sich doch die hölzerne Leitplanke als Donnerbalken an. Ich sag nur keine gute Idee. Während ich gerade so mit meinem Geschäft beschäftigt bin, kommen zwei Mountain-Biker vorbei und einer wünscht mir laut lachend auf deutsch einen „Guten Morgen“. – Das sind die Momente, in denen man sich wünscht, dass sich der Boden auftut.
Zumal wir uns im Folgenden noch ein paar Mal gegenseitig überholen. – Dann noch der Moment in dem die Herren uns signalisieren, wir mögen doch bitte mal halten. Es stellt sich heraus, dass sie uns noch ein paar Tipps mit auf den Weg geben wollen. – Der eine der beiden Spanier erzählt, dass er eine Freundin in Köln hatte. Somit ist auch die deutsche Ansprache geklärt. Ich entschuldige mich noch einmal für den Anblick. „Der Morgenstern, der war es nicht, es war des Häusgen‘s Arschgesicht“
Ein Stückchen weiter sehen wir Raubvögel am Himmel. Wir können nicht genau erkennen, was es für Vögel sind. Doch hier kreisen ca. zwanzig große Vögel in der Thermik. Die Flügel erinnern an Adler. – Weiß doch der Geier, was das ist. – Der Geier weiß das? – Richtig, eigentlich können dies nur Geier sein. Aber so viele? Wir staunen.
Ein Stück weiter gibt es eine Brücke über die Autobahn. Laut Navi gibt es hier eine Straße in Richtung See. – Laut Ausschilderung auch, doch da ist keine Straße. Also wieder zurück, es gab da ja noch einen anderen Abzweig. Während links die Warnhinweise der Autobahn zu sehen sind, kämpfen wir hier mir einem besseren Feldweg. In Richtung Entschleunigung der bessere Weg. – Doch irgendwann wird die Straße wieder besser und wir treffen auf die Zivilisation. Ein kleines Industriegebiet. Von hier aus windet sich die Straße hinauf in die Berge. Es ist nicht mehr weit bis Alcalá de los Gazules.
Die weißen Häuser des Ortes schmiegen sich an den Hang. Die Gassen sind eng, wir folgen ihnen weiter bergauf. Auf der Bergkuppe thront majestätisch die Dorfkirche. Der Ausblick ins Tal ist gewaltig. Doch auch die Kirche selbst, ist einen Besuch wert. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. Jedem Heiligen scheint ein Wert zugeordnet. So kann man sein Kerzchen in unterschiedlichen Kategorien anzünden. Ein „Ave Maria“ für 20 Cent, ein „Jesu Christi“ je einen Euro. Sind die Männer hier wert-haltiger?
Uns zieht es weiter in die Berge. Die Straße wird immer gewundener. Teilweise scheinen wir auf der Bergkuppe zu fahren. Links und rechts geschwungene Täler, mit Feldern und Wäldern. Dazwischen graue Felsen. Der Ausblick ist gigantisch. Wir würden gern häufiger halten. Doch nur selten gibt es eine Möglichkeit. Die erste nutzen wir. – Plötzlich sehen wir wieder unsere Geier. Doch kann das sein? Hier kreisen hunderte von Vögeln in der Luft. Der Moment ist magisch. Immer wieder wechseln die Vögel ein wenig ihre Position, einzelne brechen kurz aus der Formation aus, um sich bald wieder anzuschließen. Der Anblick hat etwas Erhabenes. Wir sind schwer berührt. Jetzt bitte ein Tele. Wir müssen dringend über diese Investition nachdenken. Wenn dies Geier sind, muss ich meine Perspektive ändern. Durch „Dschungelbuch“ scheint mein Blickwinkel verquert zu sein. Dies sind stolze, schöne Tiere. Wieder freuen wir uns über die Anschaffung unseres Fernglases.
Doch wir müssen weiter, zumindest wenn wir noch bei Tageslicht einen Platz für die Nacht finden wollen. – Plötzlich sehen wir einen kleinen Platz am Wegesrand. Wir halten und entdecken ein paar alte hölzerne Campingtische. Ein traumhafter Platz, wir beschließen spontan hier die Nacht zu verbringen. Hier die Koordinaten: 36°31’14.0″N 5°39’10.3″W – Auch von hier können wir einige Geier am Himmel beobachten. Glück kann sich so vielfältig bemerkbar machen.
Torgit erkundet ein wenig die Gegend und kommt mir dem Satz, „mit dem nächsten Auto stehen wir da unten“ wieder. Das hätte sie nicht sagen sollen. Sofort ist mein Ehrgeiz gepackt. Ich erkunde den Platz und den „Weg“ dorthin. Das müsste gehen. So beginnt das nächste Abenteuer. Kurz drauf habe ich Hector bei einem Wendemanöver fest gefahren.
(Anm. von Torgit: Mädels, kennt ihr das: Ihr sagt etwas, seht auf einmal das Leuchten in seinen Augen und ihr hättet Euch am liebsten auf die Zunge gebissen? Ich kenne ihn doch lange genug. Ich hätte es doch wissen müssen. Und ich sagte noch: Tu es nicht! Aber da war es doch längst zu spät)
Ich muss eingestehen, dass ich beim Wenden die Fahrspur nicht ausreichend kontrolliert habe. Ein Blick aufs Handy zeigt: Hier muss ich nicht mit Hilfe rechnen. Auch das Funknetz weist Löcher auf, ist halt ein Netz und kein Teppich. Also Kisten aus dem Kofferraum raus, Gewicht von der Hinterachse nehmen, mit dem Beil Strauchwerk entfernen, einen Ast von einem Baum sägen, welcher im Weg hängt, die Fahrbahn ausbuddeln und mit Steinen befestigen. – Zwei Stunden Arbeit, dann ist es soweit. Es gibt nur diese eine Chance. Doch ich bekomme Hector wieder frei. Sofort fahre ich das Fahrzeug wieder den kurzen Weg hinauf. Auch hier merkt man, wir waren an der Grenze. Also Hector und ich. – Torgit war mal wieder auffällig ruhig. Kein gutes Zeichen. Danach geht die Arbeit erst los. Kisten, Taschen, Kleinteile wieder den Berg rauf tragen. Dann steht Hector wieder auf dem kleinen Platz an der Straße. Wenn man es recht betrachtet, ist der Ausblick auch hier wunderschön. – Danach ein Fuß- und Handbad. – So sieht man als kleiner Pionier nach getaner Arbeit halt aus.
Bedröppelt aber glücklich stehe ich am Auto. Es ist ja nicht so, als ob ich nicht gelernt habe. – „Spector bekommt verstärkte Abschlepphaken und eine Seilwinde kommt auch an Bord“
Torgit kocht uns eine Linsensuppe. – Lange hat mir eine Suppe nicht mehr so gut geschmeckt. Was für ein Tag. (Anm. von Torgit: Also ich finde er hätte erwähnen können, dass ich keinen Ton der Kritik geäußert habe. Wenn es hart auf hart kommt, muss man zusammen die Suppe auslöffeln. In guten und in schlechten … Und daran werden wir uns ewig erinnern. Die Tage auf Campingplätzen vergisst man recht schnell)
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