Am heutigen Morgen wachen wir früher auf als gestern. Scheinbar gewöhnen wir uns an die Zeitumstellung. Auch der heutige Tag begrüßt uns mit Sonne und angenehmen Temperaturen. Wir genießen ein wenig die Atmosphäre im Hafen. Doch am späten Vormittag ziehen wir los, die Stadt zu erkunden.

Auch heute beginnen wir am Plaza De Cuba, entgegen unserer letzten Tour halten wir uns diesmal am Ufer rechts. Hier säumen einige kleine Bars das Ufer. Diana Cazadora, die Göttin der Jagd, weißt uns den Weg. So biegen wir, in Höhe des Costuero de la Reina, in den Park de Maria Luisa. – Am heutigen sonnigen Sonntag promenieren Touristen und Einheimische nebeneinander durch den Park. Aufgrund seiner Größe, findet sich dennoch das ein oder andere schattige Plätzchen. 

Aus dem satten Grün des Parks tritt man hinaus auf einen großen und vor allem repräsentativen Platz. Wir stehen auf der Plaza de España. Man ahnt sich im 17. Jahrhundert, ein stattlicher Gebäudekomplex, davor ein imposanter Brunnen. Die Fontänen, in Verbindung mit der Sonne erzeugen einen wunderschönen Regenbogen. Straßenkünstler ergänzen das Bild, in dem sie Luftblasen kreieren, in denen sich wiederum das Sonnenlicht in sämtlichen Farben bricht. 

Mit ein paar Ruderbooten auf einem Miniaturkanal wirkt das Ganze ein bisschen wie Las Vegas? Ja, schon, denn das Gebäude wurde erst für die iberoamerikanische Ausstellung im Jahre 1929 konzipiert. So oder so einen Besuch wert.

Wir spazieren weiter, vorbei an der Universität, über die Calle San Fernando, in Richtung La Giralda. Nichts lässt erahnen, dass wir auf das ehemalige Minarett der Hauptmoschee von Sevilla schauen. – Auch als Glockenturm der Kathedrale von Sevilla, erfüllt es seinen Zweck. Die Kathedrale gehört nicht ohne Grund zu einem der, wenn nicht dem bedeutendsten Wahrzeichen der Stadt. 

Danach schlendern wir durch die Gassen und lassen die Stadt einfach auf uns wirken. Sevilla ist beeindruckend und schön zugleich. Torgit behauptet, die schönste Stadt Spaniens!? – So hoffe ich, noch beeindruckendere Städtchen zu finden. – Wobei mir zur Zeit der Sinn mehr nach Städtchen, als nach Städten steht.  

So langsam werden wir hungrig, ich schlage vor zuerst einmal ein Eis essen zu gehen. TripAdvisor empfiehlt uns, Fabricia De Helados, angeblich die beste Eisdiele in Town, direkt um die Ecke. – Ob das Eis wirklich so gut ist? – Wir wissen es nicht, leider ist entgegen der Beschreibung geschlossen. Da der Hunger inzwischen noch größer geworden ist, beschließen wir stattdessen eine Kleinigkeit essen zu gehen. Gar nicht so weit entfernt erwartet uns eine weitere Empfehlung, dass Filo, ein kleines Bistro, mit gutem Service. Nett, gesund, alternativ, doch auch kein Burner. Doch wir sind ja schließlich nicht nur zum Essen hier. (Anm. von Torgit: Gute Restaurants zu finden ist gar nicht so einfach. Wir als Kölner sind einfach total verwöhnt)

So treiben wir weiter durch die Gassen. Immer wieder entdecken wir schöne kleine Häuschen, den ein oder anderen faszinierenden Balkon und die ein oder andere spannende Boutique. Sogar Vater und Sohn, welche einen extravaganten Totenkopflook bevorzugen würde hier fündig. Alles ein wenig speziell. sogar das Bankgebäude der Banco de Espana . Oder sind es die auf Kante geschnittenen Bäume? Alles gradlinig, wie es sich für eine ordentliche Bank gehört. 😉

Ich glaube, unsere Tour noch mit einem richtigen Highlight abrunden zu können. So möchte ich Torgit mit dem Metropol Parasol, einer Hybridkonstruktion aus Holz, Stahl und Beton überraschen. Ich habe mich vor einigen Jahren, ein wenig mit diesem Bauwerk des deutschen Architekten Jürgen Mayer beschäftigt.  Außergewöhnliche Bauwerke aus Holz haben mich, als Sohn eines Zimmermannsmeisters, immer schon interessiert. Und dieses Wahrzeichen Sevillas, mit seinen organische Strukturen, einer Länge von 150 m, seiner Breite von circa 70 m und einer Höhe von über 25 m gilt schließlich, als eines der größten Holzbauwerke der Welt. 

Doch leider muss ich eingestehen, dass von der Faszination, der mir bekannten Bilder, sowie Architekturberichte, vor Ort nicht viel übrig bleibt. Vom Baustoff Holz ist nicht mehr viel zu spüren. Wurde das Bauwerk nachträglich mit einem Schutzanstrich versehen? Ich weiß es nicht. – Eigentlich sollte die Polyurethanbeschichtung selbstreinigend sein und erst nach 25 Jahren erneuert werden. 

So oder so, der Funke springt nicht über. Torgit ist ebenfalls mäßig beeindruckt.

In dem Moment, in dem wir wieder in die kleinen Gassen abtauchen, finden wir andere Dinge, die uns begeistern. Manchmal sind es Kleinigkeiten. Mir gefällt z.B. eine Bauplane, welche die Straßenlaternen eines Platzes wieder zu spiegeln scheint. Dann entdecken wir auch noch das Graffiti eines Affen mit Apfel. Eine moderne Interpretation von Wilhelm Tell? – Es lohnt sich, in die eine oder andere Pforte zu schauen. Immer wieder blicken wir dahinter auf schöne Flure oder repräsentative Hotellobbys, welche sich dahinter verbergen.

Langsam bewegen wir uns in Richtung Ufer. – Es wird Zeit zurück zu kehren. Am Hafen angekommen, haben wir gerade noch Zeit die untergehende Sonne zu genießen. Heute ist Reste Essen von gestern angesagt.

Später am Abend stolpere ich noch über ein Thema, was mich immer wieder berührt. Wenn man aus der Eingangspforte unserer Kölner Wohnung, hinaus auf die Schnurgasse tritt, so findet man direkt gegenüber, scheinbar lieblos im Asphalt versenkt, einen so genannten Stolperstein. Warum stolpere ich gerade heute über dieses Thema? Weil heute, der Künstler Gunther Demnig seinen 75.000. Stolperstein verlegt hat. – Seit Anfang der Neunziger arbeitet der Künstler an diesem Projekt. Inzwischen werden nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen weiteren Ländern Europas durch Stolpersteine an die Opfer der Nazidiktatur erinnert.

Bei dem Opfer aus der Schnurgasse, handelt es sich nicht um einen Juden, auch keinen geistig Behinderten und auch keinen Kommunisten. – Nicht dass diese Opfer weniger schlimm wären. – Karl Hager war lediglich homosexuell, die Nazis nannten dies „wiedernatürliche Unzucht“. Mich hat gerade dieser Stolperstein aus mehreren Gründen besonders berührt. Zum einen, natürlich weil er direkt vor der Haustür liegt. Zum anderen, da sich Köln heute gern als liberal verkauft, als so aufgeschlossen, gerade auch Homosexuellen gegenüber. Natürlich Köln ist eine bunte Stadt, Homosexualität scheint normal. Doch bis zur Gleichberechtigung dürfte es immer noch ein weiter Weg sein. Ansonsten würden wir ja nicht mehr darüber reden. 

Karl Hagar wurde im KZ Sachsenhausen getötet. Dieser Ort berührt mich in diesem Zusammenhang am meisten. Sachsenhausen, bei Oranienburg, man könnte auch sagen in Oranienburg. Ich habe einige Jahre in diesem Ort gelebt und gearbeitet. Man sollte sich immer wieder bewusst machen, dass es dort wie an vielen Stellen Menschen gibt, die immer noch den Holocaust verleugnen, die behaupten davon nichts gewusst zu haben. Oranienburg ist klein, das KZ war nicht nur groß, sondern riesig. Bevor dieses Lager entstanden ist, gab es mitten im Ort, bereits ein Lager. Bereits zwei Monate nach der Machtergreifung Hitlers wurde hier das erste Konzentrationslager auf deutschem Boden errichtet. Dieses wurde praktisch direkt vorm Schloss errichtet, also mitten in der Stadt. So viel zu “Arbeit macht frei”. 

Mein Vater war 16 Jahre alt, als der Krieg beendet war. Komischerweise konnte dieser sich an die Deportationen erinnern. Die Stolpersteine sind übrigens aus Messing. Ich kann nur jedem empfehlen, sich einfach mal mit einer Tube Politur an einen solchen Stein zu begeben. Das Messing glänzt danach in der Sonne. – Man ist danach nicht weniger, sondern vielleicht sogar mehr Vaterlandsliebend oder Patriot als vorher. Denn emotionale Verbundenheit zeigt sich auch dadurch, dass man zu Fehlern der Vergangenheit Stellung bezieht.

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