Als wir gestern an unserem Spot ankommen, steht dort bereits ein T4, sowie ein kleiner Pkw. Die beiden Autos müssen kurz vor uns eingetroffen sein, da der endgültige Stellplatz offensichtlich noch nicht gewählt wurde. – Inzwischen habe ich mir angewöhnt, unsere neuen Nachbarn immer kurz per Handschlag zu begrüßen. Diesmal treffen wir auf Michele und Vincent im Bulli, so wie ihren Freund Paul im Pkw.
Da es bereits dämmert, kümmert sich jeder erst einmal um sich selbst. – Also erst einmal die Verdunkelung auf die Scheiben. Sofort ist Hector weniger auffällig. SUP und Außendusche raus und schon haben wir etwas mehr Platz. Dann gilt es den Beifahrersitz zu drehen, Kisten von hinten auf den Fahrersitz, Rucksäcke ebenfalls in den Fußraum und und und …
Im Anschluss haben wir erst einmal gekocht. Es gab Kartoffelstampf mit Salat für Torgit. – Für mich wurde das Ganze noch mit angebratenen Zwiebeln und Chorizo ergänzt . Lecker was es, doch wir merken auch, dass das Essen einfacher wird. Auf zwei kleinen Gasflammen zu kochen, ist halt speziell. Man versucht automatisch Abläufe praktischer zu gestalten. Dafür geben wir uns bei der Salatsauce immer noch so viel Mühe wie zu Hause. Zu mindestens haben wir bis heute noch keine Camper getroffen, die mit ihrer Salatsauce so einen Aufwand betreiben. Olivenöl und Balsamico machen ja viele. Doch wir ergänzen das um Joghurt, frisch gepressten Orangensaft, ein Spritzer Zitrone, Sojasauce, süßen Senf, Honig, Liebstöckel, Paprika, Curry, Wasabi, getrocknete Salatkräuter aus dem Kleinwalsertal*, Rauchsalz, grobes Meersalz, Kampot Pfeffer von Hennes’ Finest, Sweet Chili und Piri Piri Sauce. Dazu gestoßene Walnüsse, Paranüsse, Cashew und Sonnenblumenkerne. Ich glaube jetzt war es vollständig. 😉
* Johann, wir bräuchten bitte eine Nachlieferung. – Ach ja, wenn du schon da bist, bring auch bitte die weltbesten Gurken mit. – Danke
Nach der morgendlichen Dusche, komme ich noch einmal mit Vincent, unserem Nachbarn ins Gespräch. Michelle und Vincent sind inzwischen ein halbes Jahr mit ihrem Bulli auf Tour. Ihr T4 ist spartanisch, aber sehr persönlich eingerichtet. Die beiden sind ebenfalls in Holland gestartet, und auch Frankreich und Spanien lag auf ihrer Tour. Doch zwischendurch haben Sie zusätzlich einen Umweg über England und Schottland vollzogen. Vincent erzählt ganz begeistert von seinen Mountainbike Touren in Schottland. Neben dem Mountainbike haben die beiden Skateboard, SUP, sowie Surfboards an Bord .
Vincent erzählt, dass sie ihre Wohnung aufgelöst haben, um ihr gesamtes Leben in den Bulli zu packen. Auf die Frage hin, ob ihn, ob sie das wirklich glücklich gemacht hätte, grinst er breit. – Es folgt ein eindeutiges ja! – Er hätte nur vor einem Angst, in sein altes Leben zurück kehren zu müssen. Wir unterhalten uns über Daniel „Danny“ MacAskill und dessen Touren in Schottland. – Ich liebe ja dessen Video Wee Day Out: https://www.youtube.com/watch?v=K_7k3fnxPq0
Vincent erzählt, dass er einige der Touren gefahren sei. Uns empfiehlt er nachdrücklich die North Coast 500, angeblich ‘die Route 66’ Schottlands in Schottland. – Der Tipp ist notiert. – Natürlich folgt der ergänzende Hinweis auf Regen, Regen und noch mehr Regen. Was seinem Grinsen aber keinen Abbruch tut.
Paul, ein Freund von Michele und Vincent, ist seit fünf Wochen Satellit der Beiden. – Eigentlich wollte dieser nur für einen Bekannten ein Fahrzeug überführen. Doch Semester Ferien kann man besser nutzen, so wurde er auch zum Reisenden. Vincent bestätigt mir, dass sie auf ihrer Tour nur wenige Camper in unserem Alter treffen würden. Und wenn, würden diese immer nur fette Joghurtbecher fahren. Ich erzähle ihm von dem Kölner Pärchen, die wir an Tag No. 28 unser Reise kennen gelernt haben, und die trotz ihres hohen Alters, mit über achtzig, im California unterwegs sind. – Wir einigen uns darauf, dass diese für uns beide Traum und Vorbild zu gleich sind. Michele und Vincent’s Motto “never stop playing” steht nicht nur hinten auf ihrem Van, sondern ist ein guter Hinweis, um statt alt zu werden, jung zu bleiben.
Nach dem Frühstück, es gibt Müsli mit frischen Früchten, Joghurt und Nüssen, beschließen wir die ursprünglich für gestern geplante Küstenwanderung heute umzusetzen. – Wir wandern zunächst in Richtung Meer und folgen dann einem Weg die Klippen hinauf. Als der Weg immer steiler wird, müssen wir erkennen, dass es sich nicht um einen Weg, sondern um einen ausgewaschenen Bachlauf handelt. Obwohl anstrengender, gelangen wir dafür schneller an unser Ziel. Zu unserer Linken liegt das Marco Geodésico da Atalaia. Torgit, unsere “alte” Landvermesserin erklärt mir, dass es sich um einen geodätischen Scheitelpunkt handelt, und dieses Zeichen eine genaue kartografische Position angibt. Genau wie hier werden in der Regel hohe und isolierte Standorte mit klarer Sichtlinie zu anderen Scheitelpunkten ausgewählt. Spannend, zumindest für Vermesser. 😉 (Anm. von Torgit: also eigentlich hatte ich ja trigonometrischer Punkt 1. Ordnung gesagt, aber Marc hatte ja schon die Bedeutung des Wortes “eigentlich” erklärt 😉 )
Was ich viel spannender finde ist, dass man von hier aus einen wunderbaren Blick auf das Meer, die unter uns liegende Heide, somit auf Hector und auf die gestern von unten erblickte Bauhaus Villa hat. – Doch diese wirkt etwas zugeknöpft. Wahrscheinlich ist der Besitzer in New York, Rio, Tokio oder doch Berlin.
Wir finden die Architektur jedoch so spannend, dass wir beschließen einen Pfad durch einen Pinienhain zu folgen. Wie erwartet, kommen wir an die Vorderseite der Villa. Doch hier ist das Anwesen noch mehr geschützt. Eagle’s Eye, so der Name der Villa, wirkt genauso imposant, wie der angrenzende Golfplatz. So beschließen wir parallel zum Golfplatz weiter zu marschieren. – Ich finde es immer wieder faszinierend, dass in Regionen, in denen Wasser knapp ist, andererseits perfekt gepflegte Golfplätze zu finden sind. Der Beruf des Green Keepers scheint gut bezahlt zu werden. – Mich selbst hat Golf nie besonders interessiert. Auf der Driving Range habe ich mich zwar ganz gut geschlagen. Doch beim Putten, stand mir mein fehlendes räumliches Sehen im Wege.
Was ich am Golfen jedoch extrem gut finde ist, dass man gegen sich selbst spielt und dies meines Wissens nach der einzige Sport ist, bei dem man sich selbst einen Strafschlag verpassen kann. Außerdem teile ich mit meinem Neffen Moritz das Faible für den Golfer Film “Die Legende von Bagger Vance”, von Robert Redford. – Allein die Besetzung mit Charlize Theron, Will Smith und Matt Damon sagt doch alles, oder? Das Filmzitat “In allen und jedem von uns steckt ein echter, authentischer Schwung … Etwas, mit dem wir geboren wurden … Etwas, das uns und nur uns alleine gehört … Etwas, was Dir nicht beigebracht oder gelernt werden kann … Etwas, das wir bewahren und erinnern müssen…” passt sicherlich nicht nur für Golfer!?
In einem großen Bogen wandern wir über Feldwege zurück in Richtung Küste. – Unterwegs treffen wir wieder auf verlassene Häuser und ein wenig Graffiti. Die Gegensätze sind faszinierend. Auf der einen Seite verlassene Häuser, auf der anderen Seite, nur ein paar Meter weiter, millionenschwere Villen. Wobei ich manchmal nicht weiß, wo das Leben lebenswerter ist. Eine der Villen ist zur Seeseite mit Zaun, Nato-Stacheldraht und Videokameras so sehr geschützt, dass der Bewohner nicht einmal einen Blick auf das schöne Kliff dahinter werfen kann.
Ein paar Meter weiter hat jemand ein Schild PRIVADO treffend kommentiert. – Ob der Eigentümer der deutschen “Umgangssprache” mächtig ist?
Nach einiger Zeit treffen wir wieder auf das Kliff. – So langsam gewöhnen wir uns an atemberaubende Ausblicke. Vor allem ein Kontrast fällt ins Auge. Hier ergibt das sogenannte Rocha Negra, wie der gleichnamige Gin*, schwarze Kliff zu dem direkt angrenzenden, hellen sandfarbenen Kliff, einen unheimlichen Kontrast. – Black and White. Als wir das Kliff erreichen, hat unsere Wanderung auch fast schon ihr Ende. – Nun haben wir auch den Weg herunter gefunden. So ist unser Abstieg deutlich einfacher, als der Aufstieg. – Auf halber Höhe, stehen noch die Reste eines BMX Trails, samt Sprungschanze. Ich erinnere mich an mein heutiges Gespräch mit Vincent. Dieser muss die Schanzen übersehen haben. Denn wie ich ihn einschätze, wäre das ansonsten genau sein Ding gewesen.
Wir lassen den Abend entspannt am Bulli ausklingen. Von hier aus kann man wunderbar den Sonnenuntergang genießen. – Was wir dann auch tun.
*Den Gin müssen wir noch testen.
Erkenntnis des Tages: Es ist egal wie alt der Fahrer eines Bullis ist. – Im direkten Vergleich zum Joghurtbecherfahrer bleibt er immer jünger. (Anm. von Torgit: jünger und cooler)
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