Tag No. 44 – Inzwischen sind wir mehr als sechs Wochen auf Tour. Obwohl ich meine bisherige Tätigkeit bereits Ende Juni beendet habe, habe ich erst den Beginn der Reise als eigentlichen Cut realisiert. Doch bisher war es irgendwie immer noch ein verlängerter Urlaub. 17 Tage war, glaub ich, die längste Zeit, in der ich am Stück im Urlaub war. Jetzt sind wir sogar länger unterwegs, als während meiner Schulzeit die Sommerferien dauerten. “Home is where you park it” – Natürlich kennt man diesen Spruch, doch bisher war es eben ein Spruch. Inzwischen ist es jedoch ein Gefühl, noch etwas fremd, doch es fühlt sich echt an. – FEEL GOOD!

Der Tag hat uns heute mit einem Gespräch beGLÜCKt. Gestern Abend parkt ein alter, olivfarbener Mercedes 310D, mit holländischem Kennzeichen neben uns. Für mich der Ur-Sprinter überhaupt. In diesem Fall auch noch ziemlich cool, mit Dachzelt usw. Wie sich heraus stellte, eine Familie mit zwei Kindern.

Kennt ihr solche Gespräch, bei denen man im Nachgang denkt, dass sie einfach zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort statt fanden? Heute Morgen entstand zwischen Ilona, ihrem Mann* und uns ein solches Gespräch. – Mancher würde diese Familie als Aussteiger bezeichnen, doch ich hatte im Verlaufe des Gespräches mehr und mehr das Gefühl, auf Einsteiger zu treffen. – Einsteiger in ihr Leben. – Vor neun Monaten trafen die Beiden eine Entscheidung, den Vertriebsjob, Wohnung, eigentlich alles aufzugeben und statt dessen ihr Leben, samt Kinder in einen Van zu packen. Eine Entscheidung, die sie offensichtlich nicht bereut haben. Seit langem bin ich nicht mehr auf Menschen getroffen, die so offensichtlich glücklich waren.

Spannend fand ich auch ihre Kinder. Ich kann immer schwer schätzen wie alt Kinder sind. Doch ich schätze die Tochter auf 5 und den Jungen auf 7 Jahre. Beide wirkten sehr offen und ebenfalls relaxed. Der Sohn spricht bereits ein sehr gutes Englisch. Doch nicht, weil es ihm gelehrt wurde, sondern weil er es sich selbst beigebracht hat. Erlernt im wahrsten Sinne. Hier trafen wir keine weltfremden Ökos, sondern Persönlichkeiten, welche voll und ganz im Leben standen. – Für mich war dieses Gespräch eine Bereicherung. Erst im Verlaufe des Gesprächs ist mir bewusst geworden, dass unsere Reise noch am Beginn steht. – Ich bin gespannt, wohin sie uns führt.

*Leider habe ich mir seinen Namen nicht gemerkt. Ich habe bekanntlich ein schlechtes Namensgedächtnis, hinzu kommt, dass ich mir oft keine Namen merke, weil es nicht immer wichtig ist mir diesen Namen zu merken. Was mich jedoch ärgert ist, dass ich nicht noch einmal nachfrage, wenn ich im Verlaufe eines Gespräches merke, dass die Person bemerkenswert ist. Das muss ich ändern. – Habe den Anfang gemacht, sein Name ist Jeroen.

Da der Wetterbericht für heute Sonne angesagt hat, geben wir Porto eine zweite Chance. Und es regnet wirklich nicht, es fisselt nur den gesamten Tag. Wir genießen dennoch unseren Bummel durch die Stadt. Treppauf, treppab geht es durch schmale Gassen, vorbei an Street Art, wunderschönen und spannenden Häusern. Doch wie bereits am Tag zuvor, erschrickt es mich wie viel hier einfach verfällt.

Zum Beispiel dieses wunderschöne Geburtshaus des Romanschriftstellers und späteren Politikers João Baptista da Silva Leitão de Almeida Garrett. Allein wegen seines Namens, wäre das Haus schon schützenswert. – Nicht das ich ihn kannte, doch ich habe dieses spannende Zitat von ihm gefunden:

”Und ich frage die politischen Ökonomen, die Moralisten, ob sie bereits die Anzahl der Personen berechnet haben, die zu Elend, unverhältnismäßiger Arbeit, Demoralisierung, Schande, schändlicher Ignoranz, unbesiegbarem Elend und absoluter Not verurteilt werden müssen, um einen reichen Mann hervorzubringen?”

 

Das rauf und runter durch die Stadt macht uns mal wieder hungrig. Heute kehren wir im Hungry Biker, in der Rua das Taipas 68 ein. Torgit ist beim Blick auf die Karte sofort begeistert, ich dafür mehr skeptisch. Auf den ersten Blick habe ich das Gefühl ein wenig zu kurz zu kommen. Dann bestelle ich einfach, dass was mich am wenigsten abschreckt. Ein Toast mit Tunfisch, Kapern, Oliven, Nüssen, Joghurt, Kokos und Balsamico. – Hört sich schlimm an oder? Wie gesagt, dies war das normalste, was ich gefunden habe, Und dann das, es war einfach der Hammer. Superlecker. Wie alles, was wir hier gegessen haben. Sehr, sehr geil! hingehen, probieren.

Entsprechend gestärkt, lassen wir uns durch die Stadt treiben, besuchen zwei Kirchen, die Bibliothek Lello sparen wir uns, nachdem wir die Warteschlange sehen. Sicher, man hätte vorab die Karten online bestellen können. Und wahrscheinlich wäre ein Besuch auch spannend gewesen, doch obwohl ich Harry Potter gern gelesen habe, finde ich der Rummel drum herum ist einfach nervend. Das hätte sicher keine Freude bereitet. Wir schauen lieber noch ein wenig nach den aufwendigen Fliesen an den Fassaden und trinken ein Glas Wein im Bacalhau, in der Muro dos Bacalhoeiros 154, direkt an der Douro. Danach geht es für un’s zurück zu Hector und somit nach Hause.

PS: Habe ich bisher gedacht, ich schreibe diesen Blog vor allem für mich und außer meiner Mutter und Tante würde dies keiner lesen, war ich doch umso entgeisterter, als ein “Leserbrief”, o.K. war eine Mail, aus der Hauptstadt von Kasachstan kam. Hector hat doch tatsächlich Berta in Astana erreicht. Die Welt ist halt klein geworden, ist ja auch “nur” 7.150 Kilometer oder knapp 78 Stunden mit dem Auto entfernt.

Erkenntnis des Tages: Es geht nicht um’s aussteigen, sondern richtig einzusteigen.

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