„Hamburg, 8.30 Uhr, wieder mal Regen. Perfekter Halt fürs Haar – Drei Wetter Taft…“
Wenn ihr jetzt diesen Werbespruch weitersprechen könnt, dann seid ihr alt, sehr, sehr alt. Falls nicht, seid ihr jung oder vergesslich. Ihr könnt es euch aussuchen. Wer wie wir in den Achtzigern groß geworden ist, kam um die Taft Werbung nicht herum. Adrette Dame im Business-Outfit, die im Privatjet um die Welt jettet. Unabhängig vom Wetter die Frisur sitzt. War diese Businessfrau das geheime Vorbild des Jetsets? In den Neunzigern flog sie sogar mit der Concorde um die Welt.
„Zwischenstopp München, es ist ziemlich windig. Perfekter Sitz – Drei Wetter Taft…“
Inzwischen gehört nicht nur die Concorde der Vergangenheit an, auch um die Welt zu jetten gilt nicht mehr als chic. Corona „sei Dank“, die meisten bleiben zu Hause. Billigflieger sind out. Dennoch habe ich mich heute an diesen Werbespruch erinnert. Nicht nur, weil oder obwohl ich alt bin, sondern vor allem, da wir diverse Landesgrenzen überschritten haben.
Endlich sind wir wieder „on the road.“ – Wir sind wieder auf der Straße angekommen. Wir leben zwar schon einige Zeit im Bus. Doch bisher waren wir weder weit-, noch angekommen.
Dieses hat mehrere Gründe: Kennt ihr das, ihr zieht in eine neue Wohnung, doch es dauert einfach anzukommen? – Ich meine so richtig anzukommen, so dass es zum Zuhause wird.
Dies war auch bei uns der Fall. Angefangen beim Bruch der Antriebswelle, das Aufstelldach klemmte und es herrschte Unordnung. Hinzu kam, dass unsere Falträder von United City Bikes leider ihren Geist aufgaben. Dabei sollte es doch alles anders werden.
Auch in einem Bus herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Heute z.B. regnet es. Doch was viel wichtiger ist, wir sind glücklich. Wir stehen auf einer grünen Wiese am Rande des Ticino, schweizerisch Tessin. 45°29’54.3″N 8°46’17.3″E. Direkt am Rande des Parco del Ticino, der am gleichnamigen Fluss zwischen der Lombardei und dem Piemont verläuft.
Heute morgen sind wir in Wachtberg-Pech, in der Nähe von Bonn gestartet. Unser Ziel Italien. Aufgrund der Verkehrslage führt uns das Navi über Landau in der Pfalz, nach bzw. über Frankreich. So kommt es, dass wir unser Frühstück kurz nach Sonnenaufgang auf französischen Boden, sprich auf einem Feldweg, nähe Roppenheim einnehmen. Auf den Maisfeldern hängt noch der Tau, Nebelschwaden wabern über den Boden. Der perfekte Ort für unser Obstmüsli.
Als wir vor einigen Tagen bei Delta4x4 einen Boxenstopp einlegten, haben wir eine Abdeckung für unser Reserverad geschenkt bekommen. Hier ist nicht nur der richtige Platz um zu entscheiden ob diese montiert wird, sondern auch ein paar Fotos davon zu machen.
Iffezheim
Danach geht es weiter, bei Iffezheim halten wir noch einmal kurz am Rheinkraftwerk bevor wir den Selbigen und somit die Grenze zu Deutschland kreuzen. Unser Ausflug nach Frankreich war zwar kurz und knapp, dafür doppelt so schön.
Wir folgen der Autobahn, parallel zum Rhein. Unser nächster Stopp, das Vitra Design Museum bei Weil am Rhein, direkt an der Schweizer Grenze. Dieser Stopp fällt kürzer aus, als geplant. Das Museum hat erst am Nachmittag geöffnet. Doch wir wollen es heute noch bis Italien schaffen. So schaffen wir es rechtzeitig zur Brotzeit in die Schweiz, um am späten Nachmittag bereits die Grenze nach Italien zu passieren.
Castano Primo
Kurz drauf genießen wir unseren ersten italienischen Kaffee in Castano Primo, einem kleinen Ort in der Lombardei. Für mich der wichtigste Ort auf unserer Italienreise, deshalb direkt am Anfang. Denn hier wohnt der ältere Bruder meines verstorbenen Herrn Papa. Diesen will ich noch mal sehen.
“Alle wollen alt werden, aber keiner will es sein!”
Und wenn ich von älter rede, meine ich das auch so. Mein Onkel Hans steuert fleißig auf die Hundert zu. Deshalb weiß man nie, wie oft man noch die Gelegenheit für einen Besuch hat. Unser letztes Treffen ist drei Jahre her. Jenseits der Neunzig ist dies eine lange Zeit. – Zeit vergeht, doch eines ist geblieben, sein Lächeln.
Glück ist die Freude in den Augen seines Gegenüber zu sehen.
Mein Onkel freut sich, dies ist nicht zu übersehen. Er lacht und weint vor Freude. Auch mich hat sein Anblick zu Tränen gerührt. Zwischendurch stellt er viele Fragen. Dass wir in einem Bus leben, macht ihn fassungslos. Auch wenn er in den letzten Jahren geschrumpft ist, für mich bleibt er immer der große, stattliche Herr, der er in meiner Kindheit war. Ein Kerl wie ein Baum.
Es ist lange, sehr lange her, seit meine Eltern mit ihrem VW Käfer und später mit einem Opel Rallye Kadett B nach Italien fuhren. Immer im Gepäck ihre Kinder. Es ist ebenso lange her, dass wir im Garten meines Onkels spielten oder Kirschen pflückten. Meine Cousine Christina wirkt auf den Fotos noch jung und schüchtern. Heute ist sie eine selbstbewusste Frau. Sie hilft uns beim Übersetzen. Denn auch das Deutsch meines Onkels, ist ein wenig eingerostet.
Später fuhren meine Eltern nicht mehr nach Italien. Fernere Ziele waren schicker geworden. Ich finde es schade, dass ich meinen Onkel nur selten gesehen habe. Umso wichtiger sind mir Momente wie dieser. Wenn ich ihn anschaue, sehe ich ganz viel meines Vaters in ihm. Und er scheinbar in mir. Deshalb ist mir dieser Besuch so wichtig gewesen.
Ich kann mich kaum noch an die Besuche in Italien erinnern. Doch auf den meisten Bildern sehe ich glücklich aus. Außer, wenn meine Schwester meint, auf meinem ersten Ferrari zu sitzen. Oder war es doch der meines Cousins Marco.? 😉
„Weiterflug nach Rom, die Sonne brennt. Perfekter Schutz – Drei Wetter Taft.“
Für uns gibt es zwar keinen Weiterflug, dafür fahren wir einfach an den nahegelegenen Ticino. Ob die Frisur sitzt? Es ist uns egal, und das ist die Freiheit von heute. Das Wasser strömt über die Felsen. Der Strom hat bis hier hin bereits einen weiten Weg hinter sich gebracht. So wie wir heute, eine lange Reise durch viel Länder und durch die Zeit. – Ich bin müde, aber auch sehr, sehr glücklich.
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